… der Kunde braucht es nicht, der Handel will es nicht. Nur weil Kreditkartenanbieter, Telcos und Banken gerne von mobilen Transaktionsgebühren profitieren würden und Unternehmensberater seit Jahren Milliardenumsätze prognostizieren, entsteht noch lange kein Markt. Ein paar Gründe, warum sich das so schnell nicht ändern wird und das Smartphone Bargeld und Geldbörse eben nicht ablösen wird. Eine Provokation:
Der Kunde braucht es nicht
Das Bezahlen mit dem Smartphone bringt für den Konsumenten keinen erkennbaren Mehrwert. Es geht nicht schneller, ist nicht bequemer, günstiger oder sexyer.
Geschwindigkeit: Bestenfalls klebt auf dem Handy ein NFC-Sticker oder es steckt ein NFC-Chip in ihm, der nicht von einer „Wallet“ angesteuert wird, dann funktioniert das Bezahlen so schnell, wie bei einer kontaktlosen Kartenzahlungen. Glückwunsch! Bei allen anderen bekannten mPayment-Verfahren muss man erst mal loslegen: Bildschirm entsperren, App starten, PIN eingeben… Das gefürchtete „Moment ich habe es passend…“, geht da schneller.
Bequemer: Wäre mobile Payment, wenn man das Portemonnaie mit Bargeld und Karte tatsächlich zu Hause lassen und fortan überall mit dem Handy bezahlen könnte. Pustekuchen! Das wird in den nächsten 10 bis 100 Jahren garantiert nicht funktionieren. Schließlich kann man bis heute nicht überall mit EC- oder Kreditkarte zahlen. Also: Kein Bequemlichkeitsvorteil. Drei Dinge braucht man/frau nach wie vor in Provinz und Urban Jungle: Schlüssel, Geldbörse, Handy.
Günstiger: „Mobile Payment und Mobile Couponing wachsen zusammen“, so lautet eines der vielen Versprechungen, die die Wallet-Jünger in ihren Predigten und PP-Präsentationen gebetsmühlenartig verkünden. „Location Based Services“ bringen die Kunden (zurück) ins stationäre Geschäft, verheißt eine weitere Heilsbotschaft. Doch die Rabatt- und Schnäppchenjäger sind eine ganz spezielle und vor allem sehr abgrenzbare Zielgruppe. Großartige geldwerte Vorteile und Vergünstigungen werden die meisten Akzeptanzstellen in Handel, Gastronomie und Dienstleistung zudem gar nicht mehr bieten können, wenn die Kreditkartengebühren für die Bezahltransaktion und die SIM-rental fee für das Plätzchen in der Wallet erstmal entrichtet sind.
Ob Gewinnspielchen, wie mpass sie derzeit in Kooperation mit Vapiano veranstaltet, die Kunden nachhaltig zum mobile Payment erziehen? Klar, es dient erst mal dazu mpass überhaupt ins Blickfeld zu bekommen. Aber einen großen Mehrwert durch Rabatte und Loyaltyprogramme vermag ich im Zusammenhang mit mobile Payment für den Massenmarkt nicht zu erkennen.
Sexyer: Ok, das könnte funktionieren. Grundsätzlich ist Bezahlen zwar nicht sexy und kein Mensch will sich groß Gedanken darum machen wie er bezahlt – angeblich spricht der Vorgang ja sogar das Schmerzzentrum im Gehirn an, wie Neurowissenschaftler festgestellt haben wollen. Aber wenn es Apple oder dem aktuellen Marktführer unter den Handyhersteller gelingt, dem Zahlen mit dem Smartphone einen Nimbus zu verleihen und auf einmal „alle“ auf diese eine Art bezahlen wollen, weil es schick und „in“ ist, dann wird es irrational und es gelten andere Gesetze. Aber auch dann braucht es immer noch Akzeptanzstellen für den neuen Zauber des Bezahlens. Aldi und Lidl haben bis 2004/2005 keine EC-Kartenzahlungen akzeptiert, weil es ihnen zu teuer und zu langsam war. Kein Kunde hat deshalb seinen Einkaufswagen stehen gelassen. Im stationären Handel scheitert der Einkauf selten an den vom Händler angebotenen Bezahlmethoden. Es ist bislang, soweit ich weiß, kein Fall bekannt, bei dem der Kunden den Laden verlassen hat, weil er nicht mit seinem Handy zahlen konnte.
Und damit wären wir beim zweiten Grund, warum mobile Payment trotz aller technischen Möglichkeiten mehr Schlagzeilen als tatsächliche Transaktionen produziert:
Der Handel will es nicht
Dem Handel ist das Ganze bislang zu kostspielig, er hat keine Vorteile und gibt schlimmsten Falls wertvolle Kundendaten an Dritte weiter.
Kosten: Die meisten Ansätze und Initiativen für mobile Payment beruhen im Hintergrund auf Kreditkartentransaktionen, meist kommt noch ein zusätzlicher Player, z.B. ein Mobilfunkunternehmen in die Wertschöpfungskette hinein, der ebenfalls Geld verdienen möchte. Für den Handel wird die Angelegenheit damit zu teuer. Wer eine Tafelschokolade für 1 Euro verkauft und 2 Cent daran verdient, muss scharf kalkulieren. (Ich liebe in diesem Zusammenhang den Satz eines Fischdosenherstellers: „Wer mit der vierten Nachkomma-Centstelle rechnen kann, der kann bei uns anfangen.“)
Der „War on cash“ ist ein „War on profit“, sagen Zahlungsexperten der Handelsbranche, weil das blöde alte Bargeld aus ihrer Sicht nun mal das günstigste aller Zahlverfahren ist. Schon die Girocardgebühren (EC-Karte) von derzeit zumeist noch 0,3 Prozent vom Umsatz sind vielen Händlern zu teuer. Deshalb setzen zahlreiche große und kleine Handelsunternehmen Mischverfahren ein und kombinieren das teure PIN-Verfahren mit dem kostengünstigen elektronischen Lastschriftverfahren (ELV).
Denen würden die Budgets auseinanderfliegen, wenn plötzlich eine signifikante Anzahl von Kunden mit dem Smartphone via Kreditkarte bezahlt. Die Konsequenz wäre vermutlich, dass die Kreditkartenakzeptanz zurückgefahren würde. Promoten wird der Handel solche für ihn kostspielige Bezahlverfahren jedenfalls nicht.
Der Zug fährt auch deshalb aktuell eher in eine andere Richtung: Handelsunternehmen wie Edeka und Netto Marken-Discount (ebenfalls Edeka) setzen auf eigene Apps, um mobile Payment auf Basis von Lastschriften in den Markt zu bringen. Das ist für den Händler günstiger als Kartenzahlungen und wenn der Kunde unbedingt mit dem Handy zahlen will, hat er nun eine Möglichkeit dazu – Couponing und Kundenbindung inklusive. Die Valuephone-App, die als technische Plattform bei Edeka und Netto im Einsatz ist, lässt sich als White Label-Lösung von anderen Unternehmen einsetzen. Mal schauen wohin dieses Reise geht. Starke Händler setzen auf eine eigene App und eine zentrale Sicherheitsarchitektur, statt auf die dezentrale SIM-Karten der Telcos als Sicherheitsgarant („Secure Element“). Und einige international tätige Händler mit gutem Brand und treuen Kunden haben hier noch etwas in der Pipeline.
Vorteile: Warum sollte ein Handelsunternehmen oder eine Restaurantkette eine SIM-Rental-Fee zahlen, um die eigene, digitalisierte Kundenkarte z.B. in die MyWallet der Telekom oder die XY-Wallet eines anderen Drittanbieters zu legen? Entweder der Kunde ist mein Kunde und er lädt meine App auf sein Handy oder ich mache als Unternehmen grundsätzlich einen Fehler.
Zudem kann doch kein kundenorientiertes Unternehmen die Nicht-Telekomkunden (und die iPhone-Besitzer obendrein) unter seinen Kunden diskriminieren und von den tollen, innovativen neuen Service- und Loyalty-Angeboten ausschließen. Es fehlt die gemeinsame Basis, die Schnittmengen sind zu klein.
Kundendaten: Ja, ja, „die Daten sind das Öl der Informationsgesellschaft“. Und auch deshalb scheuen sich viele Handelsunternehmen davor, ihre Transaktionsdaten über die Systeme von Apple, Google, Amazon, Yapital oder PayPal zu schicken. Was wird gekauft, von wem und wie und wann – und was noch? Spannende Fragen, goldwerte Informationen.
Fazit: Die Kunden brauchen das Smartphone nicht wirklich zum Bezahlen und der Handel will es nicht oder nur dann, wenn er die Hoheit über die Kosten und die Kundendaten behält.
And if that weren´t enough: Neben der Hürde, Handel und Verbraucher für das mobile Payment zu gewinnen, kommt aber alsbald noch ein weiteres Problem für alle hinzu, die sich hier einen Wachstumsmarkt erhoffen:
Viele der unzähligen Lösungsansätze für mPayment basieren wie erwähnt auf Kreditkartentransaktionen. Im Sommer kommt jedoch, wie auch immer, die Regulierung bzw. eine deutlich Absenkung der nationalen Interchange-Gebühren. Mit maximal 0,3 Prozent Interchange vom Umsatz wird das Ganze aber auch den Kartenherausgebern keinen großen Spaß mehr bereiten – zumal die Kosten der Sicherheitsarchitektur im mobilen Umfeld noch höher liegen dürften, als üblich.
Es bleibt daher spannend im Payment-Markt. Meine vielleicht etwas vorlaute These derzeit: Der Merchant macht den Payment-Markt. Die Händler werden verstärkt eigenen Lösungen entwickeln und in den Markt und an den Mann und die Frau bringen. Sie haben es an der Kasse im Griff die Kunden anzuleiten, zu locken und zu steuern (siehe auch Starbucks). mPayment-Lösungen dagegen die zu teuer, zu langsam oder zu unausgereift sind, schaffen es dagegen nicht an die Kasse.
P.S.: Dieser Blogeintrag lag schon etwas länger auf Eis und gehört eigentlich in BargeldlosBlog.de. Gleich überübermorgen gehe ich in die nächste Stufe der Umsetzungsphase 😉